Die Fachtagung „Gesundheit und Migration. Schwerpunkt: COVID-19“ verfolgte das Ziel, die medizinischen und sozialen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie für in Deutschland lebende Menschen mit Migrationsgeschichte zu identifizieren. Durch Vorträge von Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Forschung, sowie anhand von Best-Practice-Beispielen verschiedener Migrantenorganisationen wurde eine Situationsanalyse erstellt. Diese Ergebnisse werden in diesem Text genutzt, um Handlungsempfehlungen und Strategien für eine erfolgreiche Adressierung und Übermittlung von Informationen und Aufklärungsmaterialien zu COVID-19 an migrantische Communities sicherzustellen.
Im Vorfeld der Fachtagung meldeten sich über 150 Einzelpersonen sowie Vertreterinnen und Vertreter verschiedener politischer, sozio-kultureller und medizinischer Organisationen und Institutionen zur Veranstaltung an. Während der Fachtagung konnten Spitzenwerte von ungefähr 140 Teilnehmenden erzielt werden. Über die gesamte Dauer der Fachtagung nahmen mindestens 100 Personen an der digitalen Veranstaltung teil. Diese Teilnehmendenzahlen sind insofern äußerst erfreulich, als dass sie zum einen die große Relevanz von und Nachfrage nach einer Fachtagung zu COVID19 unter Berücksichtigung besonderer Bedarfe migrantischer Communities verdeutlichen.
An der Fachtagung haben Vertreterinnen und Vertreter migrantischer Organisationen aus mindestens zehn unterschiedlichen Herkunftsländern bzw. Ethnien teilgenommen: Vertreten wurden unter anderem die Kurdische Gemeinde Deutschland e.V., The African Network of Germany e.V., der Verband der Griechischen Gemeinde in der BRD e.V., der Verein der Eziden am unteren Niederrhein e.V., der Verein der griechischen und zypriotischen Ärzte in Nordrhein-Westfalen, Genesis e.V., die Alevitische Union Europa, die Iranische Gemeinde Deutschland e.V., der Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland e.V., die Vietnamesische Interkulturelle Fraueninitiative in Deutschland e.V. und die Hilfsorganisation zur Förderung der Rechte afghanischer Frauen e.V.. Dieses außerordentlich hohe Maß an Diversität der teilnehmenden Organisationen führt zu einer flächendeckenden Stärkung der Gesundheitskompetenz migrantischer Communities.
Ergebnisse der Tagung zur Sensibilisierung besonderer Bedarfe der Informationsvermittlung für Migrantinnen und Migranten zum Thema Corona/COVID-19
Ramazan Salman, Geschäftsführer des Ethno-Medizinischen Zentrums Hannover, verwies auf die sprachlichen und kulturellen Aspekte bei der Vermittlung von Informationsangeboten zu COVID-19. Besonders hervorzuheben ist dabei die Rolle des Absenders von Kommunikation und Information. Migrantinnen und Migranten, gerade wenn sie erst seit Kurzem in Deutschland leben, vertrauen vor allem Menschen und deren Aussagen aus der eigenen Community. Somit ergibt sich ein besonderer Bedarf der Einbeziehung von migrantischen Communities und deren angesehenen populären Mitglieder bei der Informationsvermittlung für Migrantinnen und Migranten zum Thema COVID-19.
Mehmet Tanriverdi, stellvertretender Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland e.V., bestätigte mit seinem Best-Practice-Beispiel die Erkenntnisse des Ethno-Medizinischen Zentrums Hannover. Die Kurdische Gemeinde Deutschland hat während der COVID-19 Pandemie kurze Videobotschaften von bekannten Persönlichkeiten der kurdischen Community auf ihren Social-Media-Kanälen und ihrer Homepage veröffentlicht. Diese Videobotschaften griffen einerseits die bekannten Informationen zu COVID-19 auf und transportierten andererseits zwischenmenschliche, mentale und psychologische Aspekte der COVID-19-Pandemie.
Auch Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan betonte und erörterte in seinem Vortrag „Psychosoziale Belastung durch COVID-19 bei Migrant*innen und Geflüchteten“ die besonderen Bedarfe der Informationsvermittlung für Migrantinnen und Migranten zum Thema COVID-19. Der Direktor des Instituts für Transkulturelle Gesundheitsforschung in Villingen-Schwenningen erläuterte die differente Ausgangslage von Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchteten im Vergleich zu Menschen ohne Migrationsgeschichte. So lassen sich nicht nur Unterschiede hinsichtlich eines Werte- und Normenkatalogs feststellen. Neben sozio-kulturellen Besonderheiten begegnen Prof. Dr. Dr. Kizilhan in seiner täglichen Arbeit zudem Skepsis und Misstrauen gegenüber fremdem Fachpersonal seitens der Patientinnen und Patienten. Er appelliert an einen zielgruppenorientierten Zu- und Umgang mit Migrantinnen und Migranten im Kontext der Informationsverbreitung zu COVID-19.
Strategiekonzept zur Einbindung migrantischer Communities bei der Bewältigung der Pandemie
Handlungsempfehlungen:
- Erstellen und Veröffentlichen von Videobotschaften bekannter Persönlichkeiten aus der Community für die Community
- Zusammenarbeit der Mitglieder einer migrantischen Community Hand in Hand mit Fachpersonal aus Medizin, Pflege, Sozialwesen und öffentlicher Verwaltung
- zielgerichtete und bedarfsorientierte Ansprache sowie ein zielgruppenspezifischer Zugang
- Gewinn der Menschen mit Migrationsgeschichte für ein Ehrenamt im Einsatz für Geflüchtete
- Zusammenstellung und Veröffentlichung von Informationen zu COVID-19 und der Impfung gegen COVID-19 von der Community für die Community
Handlungsempfehlungen für eine zukünftige Verbesserung des Informationsflusses in migrantische Communities:
- Stärkere Einbeziehung von muttersprachlichen regionalen Medien bei der Aufklärung und der Wissensvermittlung zu COVID-19 wie auch gesundheitsrelevanten Themen im Allgemeinen
- Etablierung von Migrationskanälen mit einer zielgruppen- und bedarfsorientierten Kommunikations- und Informationskultur
- Informationen in der jeweiligen Mutter- beziehungsweise Herkunftssprache und unter Umständen in dem jeweiligen Dialekt müssen veröffentlicht und zugänglich gemacht werden
- Einsatz von Kommunikationsformen, welche die angesprochene Zielgruppe in höchstmöglichem Maße erreicht
- Direkte face-to-face Kommunikation in den jeweiligen Lebenswelten